Wie Kinder essen lernen - Ein Blick durch die Ernährungsbrille

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Neue Geschmäcker müssen Kinder erst lernen. Das ist oft mit Unsicherheiten und ablehnendem Verhalten verbunden. Um dies besser zu verstehen, kann ein Blick durch die ernährungspsychologische Brille hilfreich sein.
Kind beim Essen

Kinder sind zwar neugierig, akzeptieren aber gleichzeitig nur langsam neue Geschmackseindrücke. Diese sogenannte Neophobie, die Angst vor Neuem, hat uns die Evolution in die Wiege gelegt. Nach dem Motto "Ich esse nur, was ich kenne" kann der Verzehr unbekannter Speisen zunächst Unbehagen und Angst auslösen. Das lässt sich jedoch überwinden.

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Innen- und Außenreize

Ab der Geburt entwickelt und verändert sich unser Essverhalten unser ganzes Leben lang, hauptsächlich durch die sozialen und kulturellen Bedingungen in unserem Lebensumfeld. Ein Säugling reagiert noch instinktiv auf seine natürlichen inneren Signale wie Hunger und Sättigung. Mit zunehmendem Alter verlieren wir jedoch diese Fähigkeit. Äußere Signale beeinflussen Hunger und Sättigung stärker, z. B. vorgebene Essenszeiten. Je älter wir werden, spielen unsere individuellen Einstellungen und Erfahrungen eine wachsende Rolle (z. B. "Grünkohl vertrage ich nicht").

Vorlieben durch Gewohnheit

Kinder lernen neue Geschmackseindrücke deshalb kennen und mögen, weil ihnen unbekannte Lebensmittel immer wieder angeboten werden. Dieses gewohnheitsbildende Hineinschmecken in die Esskultur ihrer Lebenswelt wird als Mere-Exposure-Effekt bezeichnet. Deshalb unterscheidet sich das Essverhalten von Menschen unterschiedlicher Kulturen oder Regionen, z. B. essen Afrikaner anders als Europäer.

Mit Vielfalt gegen Eintönigkeit

Der Mere-Exposure-Effekt sorgt also für dauerhafte Geschmacksvorlieben. Würden wir aber immer nur das essen, was wir mögen, würden wir sicher sehr einseitig essen und wären unseren Lieblingsspeisen schnell überdrüssig. Damit das nicht passiert, dafür sorgt die spezifisch-sensorische Sättigung, auch "Vielfalt-Programm" genannt. Niemand isst sein Lieblingsgericht auf Dauer, sondern legt automatisch Pausen ein, damit das Lieblingsgericht weiter eines bleibt.

Vorliebe für "süß"

Die Vorliebe für "süß" ist den Menschen angeboren, denn es gibt nichts Süßes auf der Welt, das gleichzeitig giftig ist. Auch Muttermilch schmeckt süß. Doch Vorsicht: Dies ist keine Entschuldigung dafür, dass wir so viele Süßigkeiten essen. Vielmehr gewöhnen sich Kinder an den Süßgeschmack, wenn sie häufig süße Lebensmittel essen. Durch dieses regelmäßige Gewohnheitstraining steigt die Reizschwelle für den Süßgeschmack, so dass Kinder schwach gesüßte Lebensmittel dann irgendwann ablehnen.

Essverhalten der Mutter

Das Essverhalten der Mutter während Schwangerschaft und Stillzeit kann die Geschmacksentwicklung ihres Kindes beeinflussen. Während der Schwangerschaft werden über Nabelschnur und Fruchtwasser erste Geschmackseindrücke vermittelt. Dies setzt sich beim Stillen fort, denn auch die Muttermilch enthält Geschmacksstoffe der gegessenen Lebensmittel. Gestillte Kinder sind deshalb später für neue Lebensmittel aufgeschlossener. Eine abwechslungsreiche Ernährung der Mutter während Schwangerschaft und Stillzeit ist also für eine hohe Akzeptanz des Kindes gegenüber neuen Geschmackseindrücken hilfreich.

Abneigungen

Kinder entwickeln Aversionen gegen bestimmte Speisen, wenn sie eine unangenehme Erfahrung zeitnah beim oder nach dem Essen dieser Speise machen. Das kann z. B. ein komischer Geschmack oder anschließende Übelkeit oder Bauchschmerzen sein. Fast alle Menschen kennen eines oder mehrere Lebensmittel, die sie aufgrund einer negativen Erfahrung partout nicht essen würden. Elternhaus und Kita sollten solche Abneigungen respektieren.

TIPP

  • Es braucht meistens häufigere Angebote, bis Kinder sich an einen neuen Geschmack gewöhnt haben. Experten sprechen von bis zu zehn Kontakten, bis ein Lebensmittel akzeptiert wird.
  • Wundern Sie sich nicht, wenn Kinder über mehrere Tage immer nur das Gleiche essen wollen. Es dauert häufig viel länger als bei uns Erwachsenen, bis Kindern ein bestimmtes Lebensmittel zu viel wird.
  • Kinder wollen zwar nur das essen, was sie kennen und mögen, andererseits gestalten sie ihre Lebensmittelauswahl vielfältig und beugen so automatisch einer einseitigen Ernährung vor.

GUT ZU WISSEN: Der wissenschaftliche Blick auf die Entwicklung des Essverhaltens erklärt so manche "Auffälligkeit" beim Essen. Kinder verhalten sich je nach Entwicklungsphase ganz unterschiedlich. So sitzen in der Kita viele "Ess-Typen" am Tisch. Eine tägliche Herausforderung, die Sie am besten mit Gelassenheit und klaren Regeln bewältigen.

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